G'sounkhs Erbarmen

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Ergebnis: Auf das Licht zugehen! (2/3 Stimmen) 
 
Kaum haben wir den Entschluss gefasst uns dem kleinen Lichtpunkt zu nähern, werden wir davon wie magisch angezogen. Wir bewegen uns nicht, geben keinen Laut von uns und schweben immer weiter auf das Licht zu. Es muss zwischen einigen Minuten und Jahren gedauert haben, als wir den Ursprung des Lichts erkennen können. Vor uns ist, scheinbar in Fels geschlagen, ein großes Tor. Als wir hinausgleiten überfällt uns eisige Kälte. Es ist tiefster Winter und dicke Flocken setzen sich auf unser Haupt. Als wir an uns hinabblicken, sehen wir, dass wir nackt sind. Doch zu unserer Überraschung haben wir wieder beide Beine, auch wenn sich ein dicker roter Strich über eines zieht. Dann fallen wir hinab. Man hätte meinen können, der Boden sei nicht fern, doch wir stürzen aus einigen hundert Metern und der freie Fall zieht sich einige Zeit hin. Dann werden wir schlagartig ausgebremst. Nicht etwa vom Boden, sondern von einem bunt schillernden Etwas, welches uns aus der Luft fängt. / Der Schrecken lähmt uns. Wir fallen immer langsamer werdend durch zahllose Blätter, Blüten und Ranken hindurch, die in allen Farben leuchten. Es ist wie der Sturz in den Kaninchenbau, nur noch bunter. Irgendwann ist es uns als würden wir in Zeitlupe hinabgleiten. Wir fassen nach einzelnen Blüten, atmen den betörenden Duft ein und beginnen den Fall, der uns gerade noch lähmte, zu genießen. Unsere Gedanken kreisen um schöne die Dinge die uns passierten und mehrmals stellen wir fest, dass wir doch nur träumen. Es fühlt sich an, als würde sich unser Geist vom Körper lösen. Auf einmal sehen wir unseren Körper unter uns hinweggleiten, bemerken, dass den Ranken Dornen wachsen und die Blüten rot und immer größer werden. Gesichter erscheinen an den Stellen, wo die Blüten, vom Gewicht herabgezogen, nach unten fallen. "Hilfe!", beginnen Wir zu rufen. "Hilfe!"
*
Wir liegen am Boden. Unser Schädel brummt und über uns tost der Wind in den Baumkronen. Hinter uns donnern Welle für Welle die Wassermassen an den Strand. Wir blicken an unserem zerkratzten Körper hinunter und versuchen die Striemen zu zählen. Unmöglich. Einige Wunden sind von Schorf überzogen, andere fangen wieder an zu bluten, weil wir uns bewegen. Langsam richten wir uns auf, während die Welt sich wild herumwirft. Ein schmerzerfülltes Stöhnen entweicht unseren Lippen. // Bald liegen wir wieder, mit trockenem Mund und schmerzenden Gliedern. Wir versuchen uns zu erinnern. Was ist geschehen? Warum ist unser Bein wieder an seinem Platz? Warum sind wir an Land, wo wir doch im Meer untergegangen sind? Zahllose Fragen drängen danach, beantwortet zu werden, doch hier ist niemand weit und breit. Nur diese seltsamen Pflanzen, die in einem Halbkreis um uns herumstehen. /// In riesiger Farbenpracht stehen sie dort und scheinen uns mit ihren Blüten anzusehen. Es schwebt ein wunderbarer Geruch in der Luft und unsere Schmerzen werden immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Bald schon haben wir sie vergessen. Die Umgebung die gerade noch bei jeder Bewegung in wahnsinniges Chaos auszubrechen schien wird plötzlich ruhig. Wir haben das Gefühl, dass sie zu pulsieren beginnt. Eine matte Stille legt sich auf unsere Ohren und unsere Augenlieder zittern vor Müdigkeit. Aus den Augenwinkeln glauben wir die dornigen Ranken zu sehen, die uns bei unserem Sturz verletzten.
*
"Hey!", schreit eine hässliche Gestalt zwischen den farbenfrohen Geschöpfen der Natur. Die Gestalt ist klein und faltig. Graue Fransen schmücken ihren Kopf und schiefe Zahnstümpfe ragen aus dem unförmigen Mund. Als sie näherkommt zucken wir zusammen und rappeln uns erschrocken auf.  "Komm mit. Schnell. Du bist doch des Wahnsinns!", kreischt die Gestalt nun mit schriller Stimme. Erst als sie vor uns steht bemerken wir, dass es sich um den Verlorenen handelt. "Wir möchten aber hierbleiben.", flüstern wir. "Nun komm schon! G'sounkhs Erbarmen wird dir nicht noch einmal zuteil!" Wir sind verwirrt. "G'sounkhs Erbarmen?" Der Verlorene bleibt uns vorerst eine Antwort schuldig, zieht uns an den Schultern hoch und gibt sich alle Mühe uns davonzuziehen. Als wir zurückschauen, sehen wir, wie sich dunkelgrüne Wurzeln in holziges Gestrüpp zurückziehen. Matte Blüten blicken träge zu Boden. Der Verlorene blickt besorgt. "Das war eine Ahayuska-Pflanze. Sie betören ihr Opfer mit ihrem Duft um dann ihr warmes Blut auszusaugen. Du solltest froh sein, dass ich da war." "Nein! Sie waren doch so schön.", entgegnen wir schnell, doch uns ist bewusst wie knapp wir dem Tode entronnen sind. Der Verlorene setzt uns bei einem Baum ab. Jetzt sieht er nicht annähernd so schlimm aus wie zuvor. Seine Gesicht ist glatt und seine grauen Haare haben einen Rotstich. Außerdem leuchten uns lebendige grüne Augen an. "Du bist aber schön.", schmunzeln wir.
Der Verlorene blickt weiterhin ernst zu uns herunter. "Du bist noch betäubt. Bist du bereit für eine weniger gute Nachricht?"  

Was nun? Zeit bis einschließlich 17.12.2013